raum für Trauer

masterthesis | 2021 

„In der Trauer wird der Raum zum Zwischenraum, spürbarer unbesetzter Raum. Der Hinweis auf das Fehlen, auf eine Lücke. Es kann auch eine Grenze zeigen, einen Übergang benennen. Abwesenheit mit Manifest. Es wird bewusst: Zwischenräume bestimmen unser Leben: zwischen Tag und Nacht, zwischen Geburt und Tod“

 

idee

Nach einer eingehenden Untersuchung der Trauer aus historischer, psychologischer und soziologischer Sicht habe ich mir die Aufgabe gestellt, einen architektonischen Raum für Trauer zu gestalten und mir die frage gestellt: 

Wie kann Architektur Trauernde unterstützen?

Bauplatzsuche

Um der Trauer Raum zu geben, soll in der 80.000 Einwohner Stadt Konstanz am Bodensee ein Haus für Trauer geschaffen werden. Ein Haus, in dem jeder jederzeit mit seiner Trauer willkommen ist. Ein Haus, in dem geweint, geschrien und gelacht werden kann, in dem tröstende Gespräche stattfinden und selber getröstet werden darf. Ein Haus, indem Tod und Trauer auch mit Kunst, Literatur und Musik begenet wird. Räume, in denen das Thema Trauer nicht tabuisiert, sondern aktiv thematisiert werden soll.

Bei meiner Recherche ist aufgefallen, dass trauerbezogene Bautypen wie Bestattungshäuser, Friedhöfe, Aussegnungshallen oder Krematorien häufig Orte außerhalb der Stadt und ohne aktuellen Anlass nicht möglich aufzusuchen sind. Der Besuch einer Grabstätte beispielsweise bedarf der Planung und der Trauernde muss hierfür Kraft und Initiative aufbringen. Es bedarf daher Orte, welche mitten im Alltag sind, direkt unter uns. 

Das zu gestaltende Trauerhaus soll im Herzen der Stadt beheimatet sein. Die Wahl fiel auf eine Baulücke am Sankt-Stephans-Platz in der Altstadt Konstanz.

konzept

Entsprechend dem Dualen Modell der Trauerbewältigung sollen im Haus der Trauer verschiedene Bedürfnisse ihren Platz finden. Das Hin- und Herbewegen zwischen den einzelnen Räumen soll im Haus erlebbar gemacht werden.

Raumanordnung

Die Raumanordnung folgt einem Konzept, bei dem die Räume im Gebäude nach oben hin intimer und geschlossener werden. Öffentliche Räume wie das Café und der Veranstaltungsraum befinden sich im Erdgeschoss oder in dessen Nähe. Der Eingang ist gut sichtbar vom Platz aus und schafft einen überdachten Zwischenraum. Das Treppenhaus ist großzügig gestaltet und bietet Orientierung. Im Innenhof sorgt eine Pergola für eine ruhige Atmosphäre. Im Untergeschoss gibt es Medienräume, Technik- und Lagerräume sowie Sanitäranlagen. Die oberen Etagen beinhalten verschiedene Räume, wie ein Raum für Kreativität, zum Reden oder für Aussicht. Die Verbindung zum Himmel und Licht zieht sich durch das komplette Gebäude.

architektonische haltung

Die Grundlage des Entwurfs war ein respektvoller Umgang mit dem historischen Charakter der Altstadt. Das Ziel bestand darin, das Gebäude harmonisch in die bestehende Reihe einzufügen, dabei jedoch seine Sonderstellung zu verdeutlichen. Aus diesem Grund wurde die Dachform, insbesondere die First- und Traufhöhe, an die Nachbargebäude angepasst. Auch die Anzahl der Geschosse und die Bauweise entsprechen der Umgebung.

Bei der Gestaltung der Fassade wurden sowohl angemessene Fenstergrößen für den Innenraum gewählt als auch durch die Gestaltung der Fensterfaschen ein Bezug zur Fensterstruktur der Altstadt hergestellt.

Das Sockelgeschoss hebt sich durch eine andere Putzstruktur hervor, um im Einklang mit der Architektursprache des historischen Stadtkerns zu bleiben.

Durch die Brandwände und die Gebäudenutzung sind die Räume stark nach innen ausgerichtet. Um ausreichend Tageslicht zu ermöglichen, wurden im Dachbereich vier Öffnungen angebracht. Diese dienen sowohl der natürlichen Beleuchtung als auch dem Blick in den Himmel.

„{…} als ein Ort, dem ich meine Trauer zumuten darf; als ein Ort, an dem ich sein darf, mit meinem Leid, meinem Schmerz, meinem Glück, meiner Wut, meiner Verzweiflung; als ein Ort, der mich hält, der mein Leid aushält, lautes und leises, wildes und sanftes; als ein Ort des Erinnerns, des Dankes, der Versöhnung, der Anklage, der Kraft und der Sehnsucht; als ein Ort der Toten und der Lebenden; als ein Ort, dem ich mich zumuten darf – mitten im Leben.“

 

materialien

Ein zentraler architektonischer Schwerpunkt dieses Projekts liegt auf Nachhaltigkeit. Besondere Sorgfalt galt der Auswahl ökologischer Materialien, die angenehmes Raumklima bieten und leicht recycelbar sind. Das Gebäude orientiert sich an der historischen Fachwerkbauweise der Altstadt, verwendet Holztafelbau mit Strohdämmung und passt seine Dachform sowie Fassadengestaltung ans Stadtbild an. Kalkputz und Eichenholzrahmen betonen den Charakter. Im Inneren schafft Lehmputz eine warme Atmosphäre und wird durch eine Wandheizung genutzt. Natürliche Belüftung, Erdwärme und ressourceneffiziente Materialien tragen zur ökologischen Energieversorgung bei. Das Gebäude fusioniert modern mit historischem Flair.

Ansichten

Stimmung

modelle

projektinfos

Betreuung

prof. Franziska Hauser

bearbeitung

Carla Weiland

wissenschaftliche arbeit

pdf